Nach den wunderschönen Wochen in Spanien und einigen ebenso hübschen mitten in Berlin wurde es wieder mal Zeit für etwas Abwechslung.
Lisa bekommt Besuch von einer Freundin und ich nutze die Chance für einen Ausflug in die Natur.
In diesem Artikel also ein Simon-Solo.
Lies jetzt, was ein Mann erlebt, wenn er nur mit seinem Auto und bewaffnet mit einer Kamera in den wilden Osten Deutschlands zieht.
Nationalpark Unteres Odertal
Der Nationalpark Unteres Odertal wurde 1995 gegründet, ist Deutschlands einziger Auen-Nationalpark und erstreckt sich entlang der Oder auf eine Länge von etwa 60 Kilometern.
In den brandenburgischen Landkreisen Barnim und Uckermark deckt der Park über zehntausend Hektar Fläche ab, mit den Schutzgebieten auf der polnischen Seite der Oder ergibt sich eine Fläche von über 1.100 Quadratkilometern, die Internationalpark Unteres Odertal genannt wird.
Die großzügige Auen-Flusslandschaft mit ihren weitläufigen Überschwemmungsgebieten und vom Menschen größtenteils unberührten Flächen bietet Lebensraum für eine Vielzahl seltener Tiere und Pflanzen.
Jedes Jahr nutzen tausende Zugvögel dieses kleine Paradies als Zwischenstation auf ihrer Reise.
Criewen in der Uckermark
Als erste Station meiner Männertour (heißt das auch so, wenn nur einer unterwegs ist?….) habe ich das Dörfchen Criewen auserkoren.
Nicht nur, weil die WebSite der im 14. Jahrhundert gegründeten Ortschaft sich als „wohl schönstes Nest der Uckermark“ bezeichnet und die Vermutung äußert, dass „dessen Einwohner fast noch schöner sind“.
Nein, hauptsächlich fiel die Wahl auf das Dorf, weil hier die Nationalparkverwaltung und das Besucherinformationszentrum eingerichtet wurden, quasi also der Haupteingang zum Nationalpark.
So lande ich also nach anderthalbstündiger Fahrt auf dem Besucherparkplatz, der am Rand des Dorfes liegt und Platz für etwa 100 Fahrzeuge bietet.
Fahrzeuge in der Größe unseres Ducatos passen eher nicht ganz so viele auf den Platz, aber heute ist bis auf zwei andere Wohnmobile alles leer.
Entsprechend einfach finde ich eine Ecke, die für die kommenden zwei Nächte meine Heimat sein wird.
Tabak und Natur
Die Region um das Untere Odertal bietet ideale Bedingungen für den Anbau von Tabakpflanzen.
Anbau, Verarbeitung und vor allem Verkauf brachten vor über 300 Jahren schon Auskommen und Wohlstand in diese Region.
Davon zeugen einige herrschaftlich anmutende Häuser und große Gutshöfe.
Internationalisierung und Industrialisierung machten die Tabakproduktion in den kleinen Betrieben zunehmend unrentabler und heute gibt es nur noch einen einzigen Betrieb, der Tabakwaren hier in der Region produziert.
Von der Blütezeit der legalen Drogenhändler berichtet das Tabakmuseum in Vierraden.
Besucherinformationszentrum
Der ehemalige Gutshof in Criewen bietet unter anderem ein Schloss, dass man zum Beispiel für Hochzeiten mieten kann. Der Schlosspark wurde im 18. Jahrhundert von Lenné entworfen und dient heute als frei zugänglicher Park für Besucher und Einwohner.
In einer ehemaligen Scheune des Gutshofes ist das Besucherinformationszentrum untergebracht. Hier werden Flora und Fauna mit den Besonderheiten des Unteren Odertales anschaulich dargestellt.
Stützkow und zurück
So interessant die Geschichte des Tabaks und des Ortes und auch die Informationen im Besucherzentrum sind:
Ich bin ja eigentlich hier, um Natur zu genießen und ein paar Vögel zu jagen.
Selbstverständlich nicht mit meiner Silberbüchse (Menschen in meinem Alter wissen evtl., wovon ich spreche 😉 ), sondern mit meiner Canon-Kamera und dem neuen 100-400mm Objektiv, das erst vor ein paar Tagen neu bei uns eingezogen ist.
Von Criewen führt ein schöner Wanderweg in Richtung des ca. 5 Kilometer entfernt liegenden Ortes Stützkow.
Der Weg führt durch einen nahezu naturbelassenen Auenwald, leicht baufällige Holzstege helfen bei der Querung von kleinen Sumpflandschaften.
Und das ganze begleitet von zig unterschiedlichen Vogelgesängen, Gezwitscher und Gemecker.
Das ist wirklich traumhaft hier. Ich bin noch keine dreihundert Meter unterwegs und spüre die Erholung und Ruhe schon direkt in mich einziehen.
Nach ein paar Kilometern entdecke ich rechts einen Hügel, der wirkt, als könnte er eine nette Aussicht bieten.
Also rasch und steil bergan (das erinnert mich spontan an die schweißtreibende Kletterei auf dem Ziegenpfad in Andalusien. Hat hier aber nichts zu suchen…)
und tatsächlich: der erste Blick über das Untere Odertal!
Und auch der erste „Vogelschuss“ gelingt hier oben.
Dass diese Art nun keiner der ganz seltenen Vertreter der fliegenden Zunft ist und gelegentlich auch auf unserem Berliner Balkon zum Frühstück erscheint, mindert den Spaß hier draußen keineswegs.
Kurz darauf verlasse ich den Wald und erreiche Stützkow.
Über die nur für Fußgänger zugängliche Brücke quere ich die Alte Oder und befinde mich mittendrin im Überschwemmungsgebiet.
Hier im Gebiet westlich der Oder werden regelmäßig die Sommerdeiche geöffnet, um dem Fluß im Winter und Frühjahr ausreichend Platz für die großen Wassermengen zu geben.
Über den Sommer, wenn die Sommerdeiche wieder geschlossen sind, kann das Gelände abtrocknen und die Wiesen können – teilweise – gemäht und beweidet werden.
Durch die regelmäßigen Überschwemmungen wachsen hier Pflanzen und leben Tiere, die andernorts schon längst von uns Menschen vertrieben wurden.
Nicht nur der sehr seltene Wachtelkönig brütet hier, auch Biber, Seeotter und der Seeadler fühlen sich hier neben vielen anderen wohl.
Dass auf Wikipedia steht, hier würden selten auch wandernde Elche gesehen, ignoriere ich jetzt mal, darauf sind wir ja in Schweden schon reingefallen…
Ich jedenfalls mache mich auf dem Deich wieder zurück auf den Weg Richtung Norden, beobachte alles mögliche Getier links und rechts des Weges und erreiche schließlich über die kleine Ortsbrücke Criewen, den Lenné-Park und unseren Van.
Der Rest des Abends besteht aus Fotoentwicklung und Entspannung, wie es sich in dieser wundervollen Umgebung gehört.
Der Fliegende Kranich
Ein Kranich im Flug ist nicht nur ein beliebtes Fotomotiv.
Von den langbeinigen Vögeln kann man hier regelmäßig Tausende bei der Durchreise von und nach Afrika bewundern.
„Fliegender Kranich“ ist auch der Name eines Beobachtungsturmes in der Nähe von Stützkow, der freien Blick über die weiten Flächen des Nationalparks bietet.
So ist also das neue Ziel erkoren und auf geht’s in Richtung Süden, entlang an Wasser, Schilf und vielen Tieren.
Leider hat der zickende Wecker (und der tief schlafende Fotograf) den ursprünglichen Plan zunichte gemacht, den Sonnenaufgang hier draußen zu verbringen.
Aber auch kurz vor sechs steht die Sonne noch nicht allzu hoch und viele Dämmerungsliebhaber sind noch unterwegs.
Fasane gehen spazieren, Rehe veranstalten einen Wettlauf und dort hinten fliegt ein Raubvogel seine Kreise.
Wunderschöne sieben Kilometer später erreiche ich den Beobachtungsturm, klettere auf den Fliegenden Kranich und beobachte.
Allerdings gibt es heute nicht wirklich etwas zu beobachten, Grün- und Wasserflächen liegen ziemlich verlassen da. Da war auf dem Weg hierher deutlich mehr los.
Am Fuß des Kranichs angekommen erscheint mir die Parkbank in der wärmenden Sonne doch ideal gelegen für ein Frühstück mit eingebauter Erholung.
Die Ruhe stört auch der junge polnische Radwanderer nicht, der freundlich nickend von seinem Drahtesel steigt und ein paar Meter weiter am Fuß des Turms Platz nimmt.
Als ihm dann aber ein paar Minuten später etwa zehn Kollegen und -innen nachfolgen und mit der Zubereitung des Gruppenfrühstücks beginnen, wird es mir dann doch ein bisschen zu wenig einsam und ich mache mich gemütlich auf den Rückweg.
Gatow
Ob der weltberühmte Oberst von Gatow, der vermutlich mit dem Kerzenleuchter in der Bibliothek jemanden ermordet hat und deshalb regelmäßig durch Cluedo-Spielern auf der ganzen Welt überführt wird, von hier stammt, ist mir leider nicht bekannt.
Bekannt ist mir allerdings, dass es hier einen weiteren Parkplatz direkt am Nationalpark Unteres Odertal gibt, den ich als neuen Stützpunkt auserkoren habe.
Nach sehr kurzer Nacht und nachdem der Wecker kurz angeschnauzt wurde, weil er heute tatsächlich zuverlässig seinen Job gemacht hat, schlurfe ich bepackt mit allem, was der Fotorucksack so tragen kann, aus dem Auto raus und in den Nationalpark rein.
Obwohl es noch fast eine Stunde bis zum Sonnenaufgang dauert, sind viele der Vögel hier schon wieder am Trällern und Pfeifen.
Es dämmert schon leicht, so dass ich auf die extra eingepackte Stirnlampe verzichten kann und die Fledermäuse, die sich vor mir auf dem Weg offensichtlich von der anstrengenden Jagdnacht erholen, wenigstens nicht durch Licht, sondern nur durch meine Anwesenheit stören muss.
Zum Glück schreien sie für mich nicht hörbar, ich bin sicher, es wären keine allzu freundlichen Äußerungen gewesen…
Beobachtungshütte Seeschwalbe
Nach kurzem Spaziergang erreiche ich die Beobachtungshütte Seeschwalbe.
Heute mal kein Turm, sondern eine kleine Holzhütte mit Bank und zwei Holzschiebern in der Wand, die man öffnen und so mehr oder weniger bequem Fernglas und Kamera nach draußen halten kann, während man selbst einigermaßen vor Wind und Wetter geschützt ist.
Toller Sevice. Mir ist es heute da drin aber etwas zu düster, ich beobachte lieber von neben der Hütte.
So sehe ich also Herrn Fasan mit mehreren Fasaninnen durchs hohe Gras und dann den geteerten Weg entlang spazieren, alle paar Minuten macht er lautstark klar, dass das hier wohl seine Hood ist.
Ein paar junge Rehe erkunden das Gras hinter der Hütte und rasen mit großen Augen davon, als sie mich extrem gefährlich hier rumlungern sehen.
Als die Sonne dann vollständig aufgegangen ist, sich aber immer noch hinter einer dicken Wolkendecke versteckt, gehe ich noch ein paar Minuten den Weg der Fasane entlang und biege dann auf einen Plattenweg ab, der mitten ins Schilf führt.
Ein paar Biegungen, alte Brücken und Wasserläufe später lande ich wieder auf dem ursprünglichen Weg und schlendere, nun von ein paar Sonnenstrahlen begleitet, zurück.
Eigentlich war noch ein weiterer Tag hier im traumhaften Odertal geplant.
Aber das Wetter hat sich heute für Dauerregen bei ungemütlichen Temperaturen entschieden.
So sitze ich jetzt nicht in irgendeiner Beobachtungs- sondern in unserer fahrbaren Wohnhütte, freue mich über unsere eingebaute Heizung und tippe bei heißem Tee diesen Text.
Ein sehr runder Abschluss für ein paar wunderschöne Tage in faszinierender Natur.
Auf jeden Fall bis bald!
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